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Teneriffa

Erinnerungen an vergangene Tage (und Nächte...😊)


Es ist dunkel, aber laut. Der Wecker sagt 1:32 Uhr, leuchtet und bimmelt. Gemächlich schäle ich mich aus dem warmen Bett und tapse schlaftrunken ins Badezimmer. Sonnencreme drauf, Zähne putzen und Funktionsklamotten an. Müde fummel ich mich in meine Socken. Heute Nacht ist "die Nacht unseres Urlaubs: wir befinden uns auf der kanarischen Insel Teneriffa, es ist März und wie durch ein (ziemlich ungünstiges Wunder) verzeichnet die Insel einen der kältesten Winter seit langem, der ihren 3718m hohen Vulkan namnes Pico del Teide in romantisches Weiß hüllt. Extrem romantisch ist auch, dass daher die Wanderwege offiziell gesperrt und die Berghütte "Refugio Altavista", die sich auf 3260 Metern Höhe am Berghang befindet, leider geschlossen ist. Von so etwas lassen wir uns natürlich nicht von unseren Plänen abbringen, auch wenn wir uns für die Besteigung eigentlich zwei Tage gönnen wollten. Lieber wandern wir um halb drei Nachts angezogen wie Eskimos mit Stirnlampen am Fuße des Berges los, um so früh am Gipfelweg zu sein, dass die dort ab neun Uhr morgens positionierten Ranger uns noch nicht aufhalten können. Ich schlüpfe in meine eisigen Wanderschuhklumpen. Gerade kommt mir diese Idee komplett wahnsinnig und mein Körper so müde wie noch nie vor. Nach einigen wenigen Handgriffen sind meine (müde) bessere Hälfte und ich startklar und es geht los, mit dem Mietwagen in den dunklen Nationalpark...

Geparkt wird direkt am nun gesperrten Einstieg am Hang des Vorbergs Montana Blanca, über den wir in den nächsten Stunden zum Pico del Teide kraxeln werden. Die Nachtluft ist eisig und wir machen uns zügig auf den Weg.
Nach wenigen hundert Metern relativiert sich die Kälte: das Stapfen durch den festgefrorenen Schnee ist ganz schön kraftzehrend. Mühsam aber stetig stapfen wir unsere Spuren in den Schnee. An den Fleckchen, die schneefrei sind, befinden sich leider Unmengen an Schotter, die bei jedem Schritt nachgeben und einem den Eindruck vermitteln, man würde im Schneckentempo vorankommen🐌.


Der Eingang auf den Hang des Montana Blanca in der Nacht

Nach einiger Zeit entdecken wir hinter uns in der Dunkelheit weit entfernt leuchtende Stirnlampen, die sich wie dünne Geisterfinger durch die Dunkelheit tasten. Immerhin sind wir nicht so alleine wie wir uns fühlen. Da taucht ein Schild als Umriss in der Finsternis auf: es besagt, dass wir nun endlich den Vorberg überwunden haben und den Teide selbst erreichen. Der Aufstieg wird steiler, aber das Ziel kommt näher. Mächtig lässt sich der Schatten des Berges in der Nacht erahnen. Nur nicht stehen bleiben, sonst schleicht sich die Kälte durch die Schichten unserer Kleidung.

Gegen halb fünf Uhr morgens zeigt sich ein dünner Silberstreif am Horizont. Die Sonne! Oder zumindest ein Vorgeschmack. Die Helligkeit erreicht auch unsere Gemüter und schenkt uns neue Motivation.
Die Sonne wagt sich am Horizont hervor
Gegen sieben Uhr morgens erreichen wir in der mittlerweile strahlenden Morgensonne das (als geschlossen deklarierte) Refugio. 


Das Refugio Altavista auf 3260m Höhe ist greifbar nah

Erschöpft erklimmen wir die Veranda und sehen drinnen Licht. Ich drücke gegen die Eingangstür und mir kommt ein Stoß warmer Luft entgegen. Also doch nicht cerrado, wie die Spanier sagen. Schade, dass wir das zu spät erfahren. Nun einmal begonnen, haben wir auch vor, unseren Gipfelplan so durchzuziehen, dass wir vor neun Uhr den Gipfelweg betreten. Also machen wir hier nur eine kurze Verschnaufpause. Im Refugio steht ein Kaffeeautomat, an dem ich dann doch nicht einfach vorbeilaufen kann. Aus ihm kommt allerdings eine teerartige Masse gelaufen, in der sich zur Hälfte Zucker und zur Hälfte braunes Wasser befindet. Aber hey, die Pampe ist warm und süß und die Erwartungen niedrig. Noch einmal durchatmen, schnell zwei oder drei Stücke (oder Tafeln) Schokolade essen und dann geht es wieder raus in die Kälte. Der weitere Aufstieg ist nach wie vor ziemlich steil und der harte eisige Schnee steht in kleinen Zacken vom immer steiler werdenden Berghang ab und macht das Gehen ganz schön beschwerlich. 


Durch eisige Pfade ziehen sich unsere Spuren
Außerdem habe ich mittlerweile ziemliche Kopfschmerzen. Ich komme einfach nicht genug zum Trinken und Schlaf hätten wir beide in der letzten Nacht etwas mehr vertragen können. Aber der Ehrgeiz treibt mich an, meine bessere Hälfte gähnt in seinen Jackenkragen. Mehr oder weniger schweigend stapfen wir weiter. Da, endlich! Man kann den Gipfel des Riesenvulkans erkennen. Er sieht aus wie ein sprechender Hut, der von Weitem höhnisch zu uns herunter schaut.

Der Schlot der Vulkanspitze - Zielgerade in Sicht!

Vielleicht ist es aber auch nur die Erschöpfung, die meine Fantasie auf Abwege bringt. Auf den letzten Metern vor dem Eingang zum Gipfelweg zieht die bessere Hälfte nochmal richtig an. "Ich weiß du bist kaputt, aber es soll doch nicht umsonst gewesen sein!". Das ist auch wieder wahr.

 Um zehn vor neun betreten wir den Weg, der uns zum letzten Gipfelanstieg bringt. Hier befindet sich auch die freundlicherweise installierte Seilbahn namens "Teleferico del Teide", die uns, so der Plan, den Abstieg abnehmen soll. Aber auch hier beginnt der Betrieb erst ab neun Uhr, außerdem wird bei starkem Wind oder Vereisung der Betrieb eingestellt. Die ersten Schritte auf dem Gipfelweg gestalten sich bereits sehr mühsam: rechts und links neben dem Pfad türmen sich Schnee-und Eismassen auf, die mich fast überragen und der untergrund ist glatt und uneben. Außerdem sind wir nach nun über sieben Stunden ganz schön kaputt. 

Wir biegen um eine große Schneewehe und machen in ihrem Schutz eine letzte Pause. Von hier aus kann man die Drahtseile der Seilbahn erkennen. Sie wackeln und scheinen sich zu bewegen. Da taucht auch schon die erste Gondel am Berghang auf. Wir sind beide erleichtert zu sehen, dass zumindest unser Rückweg gesichert scheint! Nach der Verschnaufpause bringen wir noch ein paar hundert Meter hinter uns, bis der Weg sich verliert und sich in ein großes, steiles Schneefeld verwandelt. 


Das Ende unseres Aufstiegs

Die Sonne steht schon am Himmel und das bedeutet Tauwetter. Enttäuscht aber dennoch zufrieden mit dem was wir erreicht haben müssen wir uns eingestehen, dass unser Aufstieg hier endet. Es wäre zu fahrlässig, abseits jeglicher Wege den tauenden Schneehang hochzuklettern, und das in unserem übermüdeten Zustand. Etwa Hundert Höhenmeter vor dem 3718m hohen Gipfel des Pico del Teide schauen wir zurück auf unseren Hinweg und in die Caldera de las Canadas. So wird der etwa 17km durchmessende Einsturzkessel des Vulkangebiets genannt, in dessen Norden wir uns gerade am Hang seiner höchsten Erhebung befinden. Die Aussicht ist wundervoll.


Die Canadas del Teide

Wir laufen das kurze Stück zurück bis zur Seilbahn, wo uns mit freundlichem, wenngleich auch leicht überrascht dreinblickendem Gesicht die Rangers begrüßen. Entschuldigend erklären wir uns, aus Sorge, dass uns nun Ärger erwartet. Aber das Gegenteil ist der Fall: Sie bemerken unsere dicke Winterkleidung und unsere Grödel und deuten an, dass es schon okay ist, den Aufstieg zu probieren, wenn man gut ausgestattet ist. Sie fragen interessiert, wie weit wir gekommen sind und wie die Beschaffenheit der Wege sich aktuell präsentiert. Die Ranger sind hier oben nämlich auch für die Befreiung der Gipfelpfade von Eis und Schnee zuständig, was bei der aktuellen Wetterlage allerdings entsprechend viel Zeit und Mühe kostet, sodass sie leider noch nicht allzu weit gekommen sind. Nach dem kurzen Smalltalk gehen wir die paar Schritte bis zur Seilbahnstation und drucken unsere Abfahrtstickets aus einem Automaten aus. Wir werden in unserer Montur skeptisch von Senioren beäugt, die aus der ersten Seilbahn gestiegen sind, die heute morgen bereits einige Touristen hier hochgefahren hat. Es ist ein komisches Gefühl, so lange gewandert zu sein, um hier zu stehen, während so manch anderer innerhalb von acht Minuten in einer Gondel bequem hochgefahren ist. Das Teleferico überbrückt auf seiner kurzen Fahrt von der Talstation bis hier auf 3555m üNn ganze 1199hm und auf einer Strecke von 2482 Metern.


Die Hütte der Bergstation

 In diesem Moment, in dem ich durchgefroren und entkräftet an ihrer Bergstation stehe, bin ich unglaublich froh, dass es das Hügeltaxi gibt. Während wir auf die nächste Gondel warten, lernen wir ein junges, deutsch-britisches Pärchen kennen, das die Nacht im Refugio Altavista verbracht und mehr oder weniger unvorbereitet und in für die herrschenden Temperaturen eher luftigen Klamotten den Gipfelaufstieg gewagt und geschafft hat. Sie berichten von dem abenteuerlichen letzten Stück, über das sie zu dem von Schwefeldämpfen umwaberten Gipfelschlot des Vulkans gelangt sind. Der Abstieg sei mehr oder weniger eine Rutschpartie gewesen, berichten sie lachend. Die beiden haben allerdings ein ähnliches Problem wie wir beide: ihr Auto steht eine ganze Ecke weg von der Talstation des Teleferico, zu der wir gleich hinunterfahren. Der einzige Fußweg führt über die viel befahrene Tf-21 am Straßenrand entlang. Wir beschließen noch vor der Abfahrt, dass wir versuchen werden, eine Mitfahrgelegenheit zu finden, die uns an unserem Auto absetzt.


Unser Bergtaxi ins Tal


Nach der Seilbahnabfahrt mit spektakulären Ausblicken latschen wir zu viert über den Parkplatz und halten Ausschau. Tatsächlich finden wir kurze Zeit später eine nette spanische Familie, die sich bereit erklärt, zwei von uns zu unseren Parkplätzen zu kutschieren, sodass wir einander anschließend einsammeln können. Nach einer herzlichen Verabschiedung und dem Austausch unserer Handynummern geht es für mich und meine bessere Hälfte über die kurvige Tf-21 zurück in unser Hotelzimmer im Hotel Rural Vilaflor im gleichnamigen Dörfchen, das direkt am Nationalpark auf 1400m üNn gelegen und somit das höchstgelegene Dorf der gesamten Insel ist.


Der Rückweg - Wolkenfelder kreuzen unseren Weg
Jetzt wird erstmal geschlafen. Dieses Erlebnis wird uns sicher lange in Erinnerung bleiben! Auch wenn bei weniger winterlichen Wetterbedingungen der Pico del Teide mit seinen gut ausgebauten Wanderwegen trotz seiner Höhe als sehr gut zu bewandern gilt, war es unter aktuellen Begebenheiten anstrengend und hatte gleichzeitig einen ganz besonderen Charme. Die Landschaft im Parque National del Teide ist atemberaubend und mit jedem Höhenmeter, den man gewinnt, wird die Aussicht beeindruckender!













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